Geschenk für Erdogan

4thMai. × ’16

Verfolgung kurdischer Aktivisten aus der Türkei in Deutschland, Desinformation über ihre Ziele

Von Nick Brauns

Während der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im Namen der Terrorbekämpfung eine kurdische Stadt nach der anderen in Ruinen schießen lässt, gehen deutsche Sicherheitsbehörden in der Bundesrepublik weiter auf Kurdenjagd. Vor mehreren Oberlandesgerichten laufen derzeit Prozesse gegen mutmaßliche Kader der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK wegen Mitgliedschaft in einer »ausländischen terroristischen Vereinigung« nach Strafrechtsparagraph 129 b.

So begann Ende voriger Woche vor dem Celler Oberlandesgericht der Prozess gegen den seit November 2015 inhaftierten Mustafa Celik. Der 38jährige Kurde soll während der Jahre 2013 bis 2015 Leitungskader der PKK in Norddeutschland gewesen sein und als solcher Demonstrationen organisiert, Busse angemietet, Spenden gesammelt sowie Nachwuchskader angeworben haben. Vorgeworfen werden ihm auch seine Aktivitäten zur Unterstützung der prokurdischen »Demokratischen Partei der Völker« (HDP) im Zuge der Parlamentswahlen im Juni 2015 in der Türkei. Individuelle Straf- oder gar Gewalttaten werden Celik nicht zur Last gelegt – für eine Anklage Die Kadertätigkeit für die PKK reicht bereits, nach Paragraph 129 b angeklagt und für sämtliche Guerillaaktionen in der Türkei in Haftung genommen zu werden. »Der Zweck dieser Vereinigung ist es, Mord oder Totschlag zu begehen«, beschuldigt die Staatsanwaltschaft die PKK. Dem widersprach Celik in seiner Prozesserklärung unter Verweis auf die Greueltaten des türkischen Staates. »Dieses Unrecht kann man nicht als Beobachter hinnehmen«, begründete er seine Sympathie für die Befreiungsbewegung, ohne auf die mutmaßliche Kadertätigkeit einzugehen.

Vor dem Hamburger Oberlandesgericht begann am Dienstag der Prozess gegen Bedrettin Kavak. Der Kurde, der in der Zeit zwischen 2012 und seiner Festnahme im August 2015 verschiedene PKK-Sektoren in Deutschland geleitet haben soll, war in der Türkei bereits 22 Jahre inhaftiert und leidet bis heute an den Folgen der Folter im Militärgefängnis von Diyarbakir. Am 12. Mai wird vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf der Prozess gegen den früheren Vorsitzenden des Dachverbandes kurdischer Vereine in Deutschland YEK-KOM, Ahmet Celik wegen angeblicher PKK-Tätigkeit eröffnet.

In Bremen und Berlin wurden vergangene Woche zwei Kurden verhaftet, weil sie Leitungsfunktionen für die PKK ausgeübt haben sollen. Einem weiteren kurdischen Politiker droht aufgrund eines internationalen Haftbefehls der deutschen Generalbundesanwaltschaft seine Auslieferung durch die schwedische Justiz an die BRD. Zeki Eroglu, der in der Schweiz politisches Asyl genießt, war Mitte April am Stockholmer Flughafen festgenommen worden. Er soll PKK-Verantwortlicher in Stuttgart gewesen sein. Ein schwedisches Gericht hatte der Auslieferung bereits zugestimmt, seine Anwälte legten Widerspruch ein.

Anlässlich der Prozesse heißt es nahezu einstimmig in der deutschen Presse, die PKK kämpfe für einen eigenen »Kurdenstaat«. Fakt ist, dass sie das Ziel eines eigenen Staates vor über 15 Jahren aufgegeben hat. Erst vergangene Woche hatte der führende PKK-Kader Cemil Bayik in einem auch von deutschsprachigen Medien zitierten Interview mit dem britischen Sender BBC bestätigt: »Wir wollen die Türkei nicht spalten, wir wollen innerhalb der türkischen Grenzen frei auf unserem Land leben«.

http://www.jungewelt.de/2016/05-04/017.php

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