Anwesend sind: 2. Strafsenat (R1-R5), GStAin, Gerichtsprotokollantin, V1, V2, A, Dol, 4 Justizbeamte, 8 solidarische Prozessbeobachter_innen
Die Verhandlung wird von R1 eröffnet mit 2 Ablehnungen, welche die Verteidigung am 10.02. gestellt haben:
- Antrag auf Einladung einer Zeugin des KCK-Verfahrens
- Antrag auf Einladung von Dirk Mirow über das Bundesamt für Justiz, um die Voraussetzungen und Gründe für die Erteilung der Verfolgungsermächtigung zu überprüfen
Für heute ist die Sachverständige des Stimmgutachtens, Fr. Dr. Miriam Rolfes, als Zeugin (Z) geladen.
Nach der Belehrung des R1 macht die Z Angaben zu ihrer Person:
Beruf: Sachverständige beim LKA seit 2001. 43 Jahre alt.
Es folgt eine Zusammenfassung über den Verlauf der Erstellung der Audiospuren im Rahmen des Stimmenvergleichs:
– es wurden 21 Tongespräche im Rahmen einer Telefonüberwachung aufgenommen, welche am 03.01.2017 der Z zur Auswertung übergeben wurden.
– es sind Gespräche in Türkisch und Kurdisch
– es ist „spontanes Material“ und Aufzeichnungen über Mikros und Telefonaufzeichnungen
– Fragestellung der Auswertung: rausfinden, ob Sprecher der 21 Tonspuren identisch sind
– untersucht werden sprachliche Parameter, Sprechweise, nonverbale Merkmale, Atemgeräusche. Das sind alles Standardmethoden im Stimmenvergleich, die benutzt wurden
– zuerst wurden die Gespräche in andere Tonspur umgewandelt
– Materialien sind in Fremdsprache, deswegen wurde der Dolmetscher Hr. Dr. Saky hinzugezogen.
– untersucht wurde in 2 Abschnitten (Vor- und Hauptuntersuchung).
Ergebnisse Voruntersuchung: z.T. sind die Sprachanteile zu kurz, um sie zu untersuchen und die akkustische Qualität sei z.T. sehr eingeschränkt.
Ergebnisse Hauptuntersuchung: ähnliche Werte bei kurdischem Spurmaterial, (1 gleicher Sprecher bei vielen Tonspuren) mit hoher Wahrscheinlichkeit gleich dem kurdischem Vergleichsmaterial. Der Dolmetscher stellte fest, dass Kurdisch ( Kurmancî ) mit türkischem Akzent gesprochen wurde und nicht die Muttersprache ist.
Frage von Verteidigung: Können Sie die Angaben des Dolmetschers überprüfen?
Z: Nein, nur sprachwissenschaftlich prüfen, ob es logisch ist.
V1: Wie passierte die Telefonüberwachung in der JVA Moabit, Festnetz oder Mobilfunk?
Z: über das Festnetz.
V1: Und bei den anderen Gesprächen?
Z: Kann man nicht sagen, vermutlich über Mobilfunk.
V1: Schränkt der Unterschied zwischen Festnetz oder Mobilfunk die Vergleichbarkeit ein?
Z: Nein. Konnte in jedem Material Meßungen vornehmen, allerdings nicht vollständig. Ab 10 Sekunden ist das Material verwertbar.
V1 liest aus einem Expertengutachen vor, welches besagt, dass erst ab 30 Sekunden Material verwertbar kst.
Z: ab 30 Sekunden gibt es eine höhere Wahrscheinlichkeit, alles darunter ist trotzdem verwertbar.
Z: Das Material wurde auditiv mit Vergleichsmaterial in türkischer und kurdischer Sprache verglichen, welches das LKA seit Jahren sammelte. Türkisch und Kurdisch kommt im Arbeitsalltag des LKA sehr oft vor, deswegen kann ich aus beruflicher Erfahrung einschätzen, wo neues Wort anfängt, obwohl ich die Sprachen nicht spreche.
V1: Es gibt einen Fachartikel zu automatischer Spracherkennung. Wissen Sie mehr dazu?
Z: Die automatische Spracherkennung vergleicht Tonspuren mit Datenbank, bei der Sprachproben gesammelt sind. Wird viel z.B. in der USA eingesetzt. Beim LKA ist es in der Erprobung. Man kann aber nur 1 Merkmal abbilden, deswegen nur unter restriktiven Bedingungen anwendbar.
V1: Achten Sie auf regionale Unterschiede bei türkischen Regionen?
Z: Wir haben keine Statistiken dazu, aber Vergleichssprecher aus verschiedenen türkischen Regionen (Fallmaterial).
V1: Ablauf der Untersuchung?
Z: Der Dolmetscher hat mir zu jedem Material etwas zu verschiedenen Merkmalen gesagt und sich danach das Vergleichsmaterial angehört.
Die Zeugin wird entlassen.
V1 und V2 formulieren einen Widerspruch zur Verwertung der Angaben der Sachverständigen, weil die Aussagen die des Dolmetschers sind und nicht von ihr.
R1 schliesst die Verhandlung mit Hinweis auf kommende Termine:
- nächster Prozesstag: Dienstag, 07.03. um 09:00. Saal ist noch unklar. Schlussreden
- Urteilsverkündung: Freitag 17.03.
V1 hält eine Schlussrede bezüglich der Medienzensur und fehlende Pressefreiheit in der Türkei und stellt einen Antrag, dass eine Berufung auf türkische Medien deswegen nicht zulässig sind.