XI. Verhandlungstag Hidir Yildirim

17thDez. × ’17

Beginn: 9 Uhr: Unterbrechung bis 11.30 wegen Selbstleseverfahren

Wiederaufnahme 11.30

1. Antrag: Kirschbaum als Zeugen zu laden wird abgelehnt. Dass hauptsächlich politische Gefangene und Kurd*innen under Folter gestanden haben, sei für den Schuld- und Strafbestand ohne Bedeutung.

2. Antrag: Sachverständigergutachten zu erstellen und Hacip Dicle als Zeugen zu laden wird abgelehnt.

Begründung: Beweis über historische Tatsachen sei bereits erhoben worden, es habe eine Einigung über den Waffenstillstand gegeben, aber keine Lösung vom bewaffneten Konflikt; PKK habe ihren Vereinigungszweck nicht aufgegeben (Beweis Rede von Abdullah Öcalan im September 2016), es habe keine Abstandsnahme von gewaltsamen Taten seitens der PKK gegeben; Ein Abzug der Guerila sei kein Abzug bewaffneter PKK-Kräfte; es gab keinen Abschluss dess Friedensprozesses; Es habe zwar Aufrufe zum Frieden gegeben, aber keine Abkehr der PKK; nach Abbruch der Verhandlungen, habe es einen sofortigen Anstieg der Anschläge gegeben, was zeigt, dass die Waffen nicht niedergelegt worden seien; während der Verhandlungen und am Ende der Verhandlungen habe es bewaffnete Anschläge gegeben; es gäbe keine Anhaltspunkte, dass der Angeklagte von Friedensbestrebungen beeinflusst worden sei

der Senat sieht nicht, dass sich die PKK von den Zielen des § 129a StGB abgewandt habe

2. Antrag: Vorlage vor dem EuGH nach Art. 267 Abs. 2 AEUV, bzgl. Verbot und Maßnahmen einer terroristischen Vereinigung im Ausland, wird abgelehnt

Begründung: Beschleunigungsgrundsatz muss beachtet werden → würde Prozess in die Länge ziehen; zudem innerstaatliche Rechtsmittelanfechtung möglich

Beschluss: Sachverständigergutachten wird abgelehnt, da das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt; die Unterscheidung zwischen KCK und PKK sei nicht nötig, denn es würde keinen Unterschied machen, wie viele Menschen sich dem KCK anschließen; es sei für die Schuldfrage nicht zu berücksichtigen/ notwendig Beweis zu erheben wer zur KCK gehört oder die Wahlergebnisse der DTK/BDP oder die Inhaftierung der HDP-Politikerinnen zu berücksichtigen

Nachfrage RA Theune zu dem Begriff „solche“ Praktiken („Welche Praktiken sind damit gemeint?“) sichtlich genervte Antwort des Richters 1: „Solche. Die soeben genannten Praktiken eben“

RA Theune zur Ablehnung: Das Hinzuziehen des BKA-Beamten Becker ist fraglich, da ausgerechnet dieser Zeuge nichts zu dem Friedensprozess sagen konnte

RA Theune stellt 2 Anträge

1. Antrag: Sachverständigergutachten dazu, dass der türkische Staat in den kurdischen Gebieten unzählige Dörfer in Brand gesetzt hat mit der Folge dass viele Menschen gestorben sind; dass Dorfschützer die Dörfer geplündert haben; bis zu 2.500.000 Menschen aus den Dörfern geflüchtet sind; in anderen Gebieten keine Plünderung stattgefunden hat

2. Antrag: Bilder von dem Angeklagten Yildirim in 2015 selbst aufgenommen in Augenschein zu nehmen, die das Massaker an den Armeniern 1938 betreffen; darunter Aufnahmen von dem früheren nun nicht mehr existierenden Heimatdorf des Angeklagten, welches 1992 vom türkischen Staat zerstört wurde und nun neu besiedelt wurde. Auf den Fotos sind Dorfzerstörungen und Neubauten. Alewitische Gebetsstätten, … erkennbar;

Zudem ein Sachverständiger zu Zerstörung von kurdischen Gebieten, Zwangsumsiedlungen und ökologische Zerstörung kann die In-Brandsetzung bestätigen.

Willkürliche Verfolgungsermächtigeung → …

2. Antrag: Mitarbeiter des BND, Anwalt einen weiteren Zeugen (zu laden sowie Dokumente zu verlesen (ARTE- Dokumentation)

Grund: Zeugen und Dokumentation bekunden die Unterstützung durch den türkischen Staat beim Waffenhandel mit dem IS und Behandlung von verletzten IS-Kämpfern in türkischen Krankenhäusern im Zeitraum 2011-2014 . Der Zeuge wird bekunden, wie die Waffenübergabean Al-Qaida stattfand, die Durchsuchung der Waffenlieferung verhindert wurde und seitens MIT durchgeführt wurde. Weiterhin wird gezeigtwie IS-Kämpfer über die türkische Grenze nach Kobane geschleust wurden, damit diese gegen die demokratischen Kräfte agiert. Es würde zeigen, wie die Türkei sich keineswegs an Rechtsstaatlichkeit orientiert und terroristische, islamistische Gruppen unterstützt, auf der anderen Seite aber linke Organisationen als „terroristisch“ kriminalisiert.

weitere Anträge:

– Sprachgutachten für Kurmanci zu erstellen und Sachverständiger für kurmanci zu laden, um zwischen bericht und Finanzbericht (Tek und Tekmil) zu unterscheiden; Finanzbericht sei nicht identisch mit „Tekmil“

– Sachverständiger als Zeugin RA Keskin vom IHD zu laden, die in der Türkei praktizierte und 2 Jahre in Haft saß wegen Begriffsverwendung „Kurdistan“. Bezeugt Menschenrechtsverletzungen des türkischen Staates gegenüber der kurdischen Bevölkerung. Verteidigung verließt Statistik zu Morden unbekannter Täter, extralegale Zodesfälle, Fälle von Verschwundenen und Todesfälle durch Waffeneinsatz durch Sicherheitskräfte (beinhalten keine Morde durch Kampfhandlungen oder gegen illegale Organisationen, diese werden gesondert aufgenommen) → Konzentration der Fälle auf kurdische Provinzen

– Zeuge zu türkischer, rassistischer Kriegspolitik. Berichtet über Ausgangssperre in Cizre (Geschehen, Menschenrechtsverletzungen, Sicherheitslage für Bevölkerung). Der Zeuge war für das Bergen der Leichen zuständig

→ Situation wird geschildert (z.B. dass Krankenwagen die Verletzten nicht erreichen konnten, Tote nicht geborgen werden konnten, Menschen die in Kellern verbrannt wurden)

Begründung: Die Türkei ist im Zuge eines rassistischen, nationalistischen Weltbildes entstanden. Viele Kurd*innen wehrten sich gegen die Türkisierungspolitik. Aktuelle Lage zeigt eine Zuspitzung faschistischer Züge des türkischen Staates (z.B. Verhaftungvon HDP-Abgeordneten, Dorfzerstörungen, …). Faschistische Mobs greifen seitdem vermehrt an. Diese darlegung bezieht sich zwar auf die Zeit nach dem Tatzeitraum. Allerdings hat das Gericht auch Beispiele von PKK-“Vergehen“ nach dem Tatzeitraum herangezogen. Dann sollte es sich auch mit repressiver Politik des türkischen Staates nach dem Tatzeitraum befassen.

Grund: Die Anwendung von §§ 129, 129a,b StGB ist Notstandslage, aber zumindest muss die Situation in dem kurdischen Teil der Türkei in der Strafzumessung berücksichtigt werden

Unterbrechung für 10 Minuten

Danach Antrag Herrn Peter Bunke als Sachverständiger als Zeuge zu laden (Zeuge vom Hören- Sagen), der als Ethnologe in Dersim 1973- 1979 Feldforschung betrieben hat und seit 2004 als Traumatherapeut arbeitet. Berichte über das Massaker in Dersim, Situation von Alewit*innen in der Türkei und transgenerativem Trauma

R1 fragt nach, in welchem Wissenschaftszweig der Zeuge tätig ist

V1 antwortet, er sei studierter Ethnologe, aber habe auch als Traumatherapeut gearbeitet. Ob er in dem Bereich auch eine Ausbildung habe, sei unklar, kann aber noch herausgefunden werden.

R1 sagt, dass dieses wichtig sei.

V1 fährt fort: Bunke habe mit Augenzeug*innen des Massakers gesprochen und gebe wieder, was seine Eindrücke zwischen 1973-79 in Dersim waren. Er könne auch über die Dorfzerstörungen und Vertreibungen im Jahr berichten, da er 1992 mit Gespräche mit Dorfbewohnern geführt habe.

Der Sachverständige sei auch zugleich traumatherapeut

R1 hakt nach, ob es sich nun um einen Sachverständiger oder um einen Zeugen handele. Der Verteidiger sagt, es handele sich um einen Sachverständiger und Zeugen. R1: „Ja, dann sagen Sie das auch so“

V1 fährt fort. Der Zeuge habe als Traumatherapeut dort gearbeitet und könne etwas zu transgenerationalem Trauma sagen. Die transgenerationale Vernichtungspraxis solle erklären, warum der angeklagte mit der Befreiungsbewegung sympathisiert habe.

Stellungnahme StA: 1. Antrag Thema Dorfzerstörungen: bereits Beweiserhebung erfolgt

Antrag extralegale Hinrichtungen: Beweis bereits erhoben; Auslandszeugin: Kosten zu hoch um als Zeugin zu laden (§ 244 V 2 StPO), und Konnexität nicht ersichtlich

3. Antrag: Beweis erhoben

5. Antrag: Tatzeitraum war vor dem beweiserheblichen Zeitraum

Cizre bekannt; Rassismus sei eine unkonkrete Beweisbehauptung

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