Pressemitteilung, 11. Oktober 2016
Rechtsanwalt Martin Heiming: Das ist ein politisches Verfahren
Nach einer 10-monatigen Verhandlungsdauer, wird der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart am 13. Oktober sein Urteil gegen den kurdischen Aktivisten Ali ÖZEL verkünden.
Ihm wirft die Anklage vor, als mutmaßliches Mitglied einer „terroristischen“ Vereinigung im Ausland (§129b StGB) mindestens seit Mitte 2010 bis zu seiner Verhaftung am 12. Februar 2015 verschiedene „PKK-Gebiete“ verantwortlich geleitet zu haben, zuletzt den Raum „Bodensee“. So habe er an „Kader“-Treffen teilgenommen, an Veranstaltungen der „PKK-nahen Partei PYD“ [Nordsyriens/Rojava, Azadî], an einer Gedenkfeier für im Kampf gegen den IS gefallene Guerillas sowie an politischen Schulungen im In- und Ausland. Ferner sei er an der Organisierung einer Demonstration im August 2013 beteiligt gewesen, bei der es um den Protest gegen die Ermordung von Kurden in Rojava ging. Beschuldigt wurde er weiter, sich an der Organisierung eines kurdischen Kulturfestes in Dortmund im September 2013 beteiligt zu haben. Zentrales Thema dieser Veranstaltung war die Erinnerung an die drei kurdischen Aktivistinnen, die im Januar 2013 in Paris ermordet wurden. Auch seine Teilnahme an der Großdemonstration im Februar 2015 unter dem Motto „Freiheit für Șengal und Kobanê“ ist nach Auffassung der Anklage als „terroristische“ Straftat zu werten.
Während die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart in ihrem Plädoyer eine Haftstrafe von 4 ½ Jahren für Ali ÖZEL forderte, kritisierte dessen Verteidiger, der Heidelberger Rechtsanwalt Martin Heiming, in seinem Plädoyer die Haltung von Politik und Justiz gegenüber der kurdischen Bewegung und ihren Anhängern. Er sagte u.a.: „Das ist ein politisches Verfahren auf der Basis der Verfolgungsermächtigung des Bundesjustizministeriums. Es ist eine politische Entscheidung, welche Gruppen und Organisationen verfolgt werden und welche nicht. Das Justizministerium greift damit in die Außenpolitik ein und macht Deutschland zum Handlanger für ein rassistisches Regime, das die Hegemonie der Türken gegenüber anderen Gruppen, insbesondere – aber nicht nur – gegenüber dem kurdischen Volk um jeden Preis durchsetzen will.“
Die Verhandlung findet statt
am 13. Oktober 2016, um 10.00 Uhr vor dem OLG Stuttgart, Saal 4, Olgastraße 2
Aktuell befinden sich 12 kurdische Aktivisten in Haft. Bis auf einen wurden/sind alle mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ konfrontiert.
Bisher erfolgten vier Verurteilungen zu Freiheitsstrafen zwischen 2,6 und 3 Jahren, mit Ali Özel ist es die fünfte.
Am 5. Oktober 2016 wurde das Hauptverfahren gegen Hasan Dutar vor dem OLG Hamburg und am 11. Oktober gegen Ali Hıdır Doǧan vor dem Kammergericht Berlin eröffnet;
weitere vier Verfahren voraussichtlich im November.
AZADÎ e.V., Rechtshilfefonds für
Kurdinnen und Kurden in Deutschland, Köln
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