Tag XIII: Verhandlung Hidir Yildirim

17thDez. × ’17

Alle anwesend bis auf RA Kuhn

Beginn 9 Uhr

1. Beschlüsse des Senats

vorgetragen von Ri 1 und 2

Die 5 Anträge betreffend der Zeugenladungen um

1. Ausgangssperren in Cizre

2. Vernichtung und Vertreibung aus den Dörfern in den kurdischen Gebieten der Türkei sowie die Unterdrückung der kurdischen Sprache

3. Sprachgutachten zu erstellen, die die falschen Übersetzungen der TKÜ bezeugen

4. Unterstützung des Waffenhandels des IS durch die Türkei

5. sowie Beiziehung von Verfahrensakten und Dolmetscherin um Anweisung andere Inhalte abzugeben bei der Übersetzung

zu beweisen werden abgelehnt.

Im Rahmen der Beschlussverlesung wird vom Senat festgestellt, dass die Türkei kein rassistisches Regime iSd Art. 1 des Zusatzprotokolls der Genfer Konvention ist, wozu das Gericht die notwendige Sachkunde besitzt. Zu Menschenrechtsverstößen und der Situation von Kurd*innen in der Türkei habe der Senat sich schon umfassendes Wissen verschafft und dazu sei bereits Beweis erhoben worden. Weitere Einzelheiten hätten keine Bedeutung. Ausgewählte Urteile des IMGR hätten keine Bedeutung. Der Jahresbericht des IHD und Zeitungsartikel aus der Zeit hätten auch keine Bedeutung.

Ein Sachverständiger der Sprachen Türkisch und Kurmanci, um die Begriffe Bericht (vapor) und Finanzbericht (vali vapor) zu klären, werden abgelehnt. Die Begründung ist, dass auch wenn dort Uneindeutigkeiten bestünden, es keinen Unterschied in der Einschätzung machen würde, dass der Angeklagte nicht bei Finanzberichten beteiligt gewesen sei. Beteiligt seien nicht aufgefordert worden einen Bericht oder Finanzbericht zu schreiben und der Angeklagte habe keinen erstellt. Allein die Verwendung solcher Wörter zeige die Nähe des Beteiligten zur PKK.

Außerdem wird angenommen, dass Tekmil in dem Zusammenhang der SMS-Kommunikation als „Bericht“ zu verstehen sei.

Die Vernehmung eines Staatsanwaltes aus der Türkei, welcher die Einschleusung von Waffen an den IS durch den türlkischen Staat bezeugt, wird abgelehnt. Der Senat befand den Antrag für unvollständig. Der Senat habe durch die Videos dazu bereits Beweis erhoben. Die Informationen seien dem Zeugen zudem nicht zugänglich.

Es wird abgelehnt, dass die Türkei nach gegen demokratische Kräfte des SDF vorgangen sei. Es läme auf einzelne Fälle des Waffenschmuggels nicht an. Ohne Bedeutung seien auch die Vorgehen des Türkischen Staates gegen Oppositionelle im Jahr 2015/2016, da es nichts mit dem Zeugen zu tun habe.

Der Antrag auf einen Sachverständiger über Dorfzerstörungen werde abgelehnt. Dies sei bereits erwiesen und es komme auf weitere Einzelheiten nicht an.

Der Antrag zur Beiziehung der Verfahrensakte wird abgelehnt, weil dem Beweisbegehren schon nachgekommen worden sei.

Der Antrag wegen Übersetzungsfehlern sei für die Beweisvernahme nicht konkret und wird abgelehnt. Die Dolmetscherin habe Uneindeutigkeiten kenntlich gemacht. Es sei allein wichtig, ob die Dolmetscherin inhaltlich zutreffend übersetzt habe.

Die Vernehmung von Effelsberg als Zeugen werde abgelehnt. Dieser spreche kein türkisch oder kurmanci. Die SMS vom Selbstleseverfahren wird nun schriftlich übersetzt

Begründungen der Ablehnungen:

– Auslandszeugen (§ 244 V 2 StPO)

– das Gericht besitzt die notwendige Sachkunde

– Beweis wurde bereits erhoben

2. Gegendarstellung RA Theune

zur Zeugenvernehmung Hatip Dicles: Ablehnung ist rechtsfehlerhaft

Eine bedingungslose Niederlegung der Waffen sei zwar nicht erfolgt, dies sei aber auch nicht notwendig. Die Anklage betrifft nur Taten iSd § 129a StGB auf dem türkischen Staatsgebiet, dort habe es allerdings in dem Tatzeitraum keine Anschläge gegeben.

Außerdem ist die Zeugenvernehmung von Hatip Dicle der des österreichischen Offiziers überlegen was die Beweiserbringung betrifft, da dieser direkt in die Friedensverhandlungen involviert war

Unmittelbar daran anschließende Stellungnahme des Bundesstaatsanwalts: Die PKK habe auch in dem Tatzeitraum Anschläge in der Türkei durchgeführt.

— 10 min Unterbrechung —

Nachtrag verlesen durch Richter 1 bezüglich der Gegendarstellung: Pressemitteilung vom 13.11.2015 zur Befreiung vom IS in Shengal. Die PKK sei Garant für Sicherheit und Freiheit gewesen und ein poltisch und miltärisch wichtiger Faktor gegen den IS.

3. Beschluss des Senats zur Gegendarstellung

Der Antrag wird abgelehnt, da das Beweisbegehren nicht erkennbar sei. Der Zeuge sei zwar 2013 aus der Haft entlassen worden, aber noch bis 2017 im Amt. Es sei nicht klar, an welchen Gesprächen 2013/14 der Zeuge teilgenommen habe. Die HPG-Einheiten hätten sich in der Zeit nicht zurückgezogen.

4. Nachfrage Ri 1 zu Wohnverhältnissen des Angeklagten

Bei Haftbeginn angegebene Wohnungsadresse existiert nicht mehr, aber RA Theune trägt vor, dass bei Entlassung der Angeklagte sowohl eine Wohnung, als auch eine Vollzeit-Arbeitsstelle vorweisen kann. Dies ist für die Bewährung relevant. Seine jetztige Wohnung werde somit aufgelöst. Arbeitsverhältnisbestätigung wird vorgelesen

— ENDE der Beweisaufnahme —

5. Plädoyer des Staatsanwalts

Bezieht sich auf:

– die PKK als terroristische Vereinigung

– Beteiligung des Angeklagten in dieser terroristischen Vereinigung

Zur person Yildirim:

– Er ist Kurde und Alewit, ging in der Türkei zur Schule, arbeitete in istanbul, ging nach dem Wehrdienst zurück zu seinem Heimatort und erlebte dort Repressionen durch den türkischen Staat und Sicherheitskräfte. Daraufhin ging er nach Deutschland. Er hielt sich nur gelegentlich bei seiner Meldewohnung auf und war viel in Deutschland, Tschechien und in der Schweiz unterwegs.

Bezugnahme auf mehrere Urteile im Zusammenhang mit PKK-Verfahren (Z.b. Urteil in Hamburg gegen Demir)

Zur PKK als terroristische Vereinigung:

– Der Zeuge Becker habe die neueren Entwicklungen geschildert.

– auch nach 2013 wurden noch Kader ausgebildet und es waren „Zeiten des Kampfes“

– 2. Phase des Lösungsprozesses ab August 2013

– Öcalan habe nur einen Rückzug der Guerila angekündigt, aber keinen Waffenstillstand an sich. Öcalan äußerte diesen Rückzug unter Vorbehalt. Demnäch würde die PKK eine legitime Selbstverteidigung leisten, wenn der türkische Staat die Abmachungen nicht einhalten würde (z.B. durch Bau der Staudämme, Ausbau von Militärstützpunkten, usw.)

– 2013 habe der KJK-Vorsitzende einen Rückzug Richtung Irak angekündigt, aber die Freilassung von Öcalan gefordert. Erst dann würde eine Entwaffnung folgen

-Die HPG habe den Ausbau von Militärstützpunkten und des Staudamms als Provokation erklärt

– Tatsächlich habe die PKK-Guerila sich 2013/2014 niemals zurückgezogen

– Es sei erklärt worden, dass wenn der türkische Staat die Kurd*innen nicht anerkenne, die Kurd*innen auch den türkischen Staat nicht anerkennen würden und nach eigenen Regeln handeln würden

– Es habe türkische Luftangriffe auf Stationen der PKK im Nordirak gegeben.

Die PKK habe daraufhin den Waffenstillstand für beendet erklärt.

– 2014/2015 gab es mehrere Anschläge in der Türkei zu denen sich die PKK unter Namen der HPG bekannt habe, sie hätten sie als „Vergeltungsaktionen“ bezeichnet

– Neuausrichtung der PKK: nicht nur in den Bergen, sondern auch in den Städten wird bewaffnet gekämpft

– Zu einem erfolgreichen Abschluss der Friedensverhandlungen sei es nie gekommen, was auch Zeugen Bosch (?) und Becker bestätigten

– Die PKK habe sich an Vergeltungsaktionen an der türkischen Polizei bekannt und es werden verschiedene Anschläge der HPG zum Tatzeitraum verlesen

– Es habe zwar Menschenrechtsverletzungen durch den türkischen Staat gegeben, doch zur Tatzeit sei es der kurdischen Bevölkerung durchaus möglich gewesen, in Presse, Sicherheit und anderen Staatsdiensten zu arbeiten, um diese Repressionen von dort aus zu verhindern, statt den bewaffneten Kampf aufzunehmen

Zur PKK/KCK in Europa:

– auch nach Neustrukturierung durch den 10. Kongress 2013 der europäischen Vertretung der KCK weiterhin an Entscheidungen der KCK gebunden; in Europa werden die Entscheidungen der KCK „ausgeführt“ vom KCD-E

– Aufgaben seien die Organisierung von Veranstaltungen, Gewinnung neuer Mitarbeiter, …

– weiterhin wird an den Kaderstrukturen und der Gebietsaufteilung in Europa /Deutschland fest gehalten

– CDK-Exekutive als Exekutivrat des KCD-E

Zur Beteiligung des Angeklagten in der PKK:

– Der Angeklagte behauptet, kein PKK-Kader gewesen zu sein, sondern dass er nur in den Räten organisiert gewesen sei, „für die kurdische Sache“

– Seine mitgliedschaftliche Beteiligung zeige sich jedoch dadurch, dass er jährlich stattfindende Veranstaltungen organisiert habe und bei Kadertreffen identifiziert worden sei.

– Seine Taten an sich seien allerdings keinesfalls rechtstaatswidrig

– Der Angeklagte habe die Rede von Cemil Bayik zu Newroz 2014 befürwortet, in der der bewaffnete Konflikt propagiert werde

– die Beteiligung des Angeklagten im Gebiet Sachsen ergibt sich aus der TKÜ und den Polizeizeugen

– Es zeige sich vermehrter Kontakt mit den Kadern Demir und Eroglu

– Zur Funktion der Gebietsleitung: Nachdem der vorherige Gebietsleiter ausfiel, sei erkennbar gewesen dass der Angeklagte diese Tätigkeit übernahm. Die TKÜ lasse eine übergeordnete Leitungsbefugnis erkennen

– BsP: Absprachen mit der Ko-Sprecherin, sachliches und nicht freundschaftliches Verhältnis war erkennbar, Abstimmung mit Eroglu über „Kadertreffen“, …

– Der Angeklagte habe ein konspiratives Verhalten gezeigt

– Finanzierung der PKK durch Bustickets-Verkauf und Tickets für Veranstaltungen

– Organisierung von Veranstaltungen wie Newroz, Demonstration in Paris wegen der Ermordung, 35. Jahrestag zur Gründung der PKK

– Verantwortung auch für Bewegung in Polen und anderen osteuropäischen Ländern

– Der Angeklagtesei an Kader der Europaführung übergeleitet worden

– zwar ab 8.4.2015 keine Kaderfunktion mehr, aber weiterhin Unterstützung bei Vorbereitung der Kadertreffen

Zum Thema der fälschlichen Übersetzungen:

– Die Worte Tek und Tekmil seien konspirativ genutzt worden.A- Die Übersetzung als Bericht sei nicht fehlerhaft

– Tekmil sei durchaus gebräuchlich, um es als Lagemeldung zu bezeichnen. Dies würde auch Sinn machen, da man diesbezüglich Telefonate vermieden habe

– Dafür dass dieses Wort als Kritik&Selbstkritik verwendet wurde, gebe es nur wenige Fundstellen. Auch im Militär würde es als „Lagemeldung“ verwendet werden

– Zudem sei festgestellt worden, dass wöchentlich Berichte abgegeben worden seien und diese würden als Berichte zur Spendensammlung gewertet werden

– der Sinn einer Übersetzung sei nicht, alle Möglichkeiten der Übersetzung aufzuzählen. Es gäbe viele Synonyme.

Zur Strafzumessung:

– Der Angeklagte habe sich der Gebietsleitung schuldig gemacht

– dass die PKK eine terroristische Organisation sei, zeigten die dargelegten Tätigkeiten der HPG

– die geringe Anzahl von Anschlägen 13/14 würden keine entscheidende Rolle spielen

– Verbot der PKK war dem Angeklagten bewusst, was sich durch sein konspiratives Verhalten zeige und er war erfreut über „das Läuten der Kriegsglocken“ 2014, da er den bewaffneten Kampf der HPG befürworte

– 2011 sei die PKK als terroristische Vereinigung im Ausland beschlossen wurden. Hinterher sei dieses überprüft und entsprechend eingeordnet worden

– § 129a StGB sieht eine Strafzumessung von 1 bis 10 Jahre vor

– Fall des § 129a VI nicht gegeben, da keine untergeordnete Rolle

– Strafmildernd zu berücksichtigen: persönliche Lebensgeschichte, einseitiger Waffenstillstand während des Tatzeitraums, „Gruppenzwang“ gegenüber seinen Landsleuten, Identifizierung mit kurdischem Volk und Handeln wegen Unterdrückung dessen, keine Vorbestrafung, U-Haft sei zu berücksichtigen

– Strafschärfende Umstände: PKK ist weit verzweigt, gut organisiert und hat zahlreiche gefährliche Aktionen durchgeführt; er war nicht nur in Deutschland sondern auch in Polen aktiv, zudem in mehreren Bundesländern was eine hohe Verantwortung bezeugt; erhöhte Terrorgefahr in Deutschland

– er war Überzeugungstäter

– es besteht zudem Fluchtgefahr, weshalb keine Entlassung vorgesehen ist: keine feste Wohnung sowie vorige Scheinadressen und -arbeitsverhältnisse deuten an, dass jetzige in Aussicht stehende Arbeit nicht tatsächlich bestehe. Der Haftbefehl solle somit aufrecht erhalten werden.

– geforderte Strafe: 2 Jahre und 3 Monate

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