Verfahren gegen Mustafa Celik, wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im
Ausland,vor dem 4. Senat des OLG Celle – am 2.8.2016:
Vorsitzender Richter : Rosenow
Wie in der Vergangenheit, wurden auch diesmal die Zuschauer_innen durchsucht und ihre
Personalausweise kopiert. Sieben Zuschauer_innen waren anwesend, eine Achte wohnte dem
Prozess für etwa 10 min bei. Des Weiteren waren beide Verteidiger Mustafas, sowie seine
Vertrauensdolmetscherin anwesend.
Nach Eröffnung der Verhandlung wurde zunächst das Fehlen zweier geladener Zeuginnen
festgestellt, die wie sich herausstellte „wegen der Schulferien“ in Urlaub seien (es handelte sich um
eine Minderjährige und deren Mutter). Der Richter gestattete der Verteidigung, statt der
Zeugenanhörung ihre Anträge vorzutragen und begann selbst mit der Verlesung von TKÜ-
Protokollen. „Fremdsprachige Texte“ so der Richter würden zum Teil nicht übersetzt.
Die Protokolle bezogen sich ausschließlich auf SMS-Texte, bildeten insgesamt eine Floskellitanei
(Produkttyp: SMS, Produktdauer: 00, etc.).
Die ausser Mustafa genannten Personen hießen Karin Giesel und Petra Sassmanns, oft waren
aber Sender und Empfänger im Protokoll nicht genannt. Die Verteidigung warf während der
Verlesung ein, ein Text sei aus dem Türkischen falsch ins Deutsche übersetzt worden, da kein
verneinendes türkisches Wort enthalten sei, seine Aussage in der Übersetzung aber verneinend
wäre. Nachdem der Richter die Verlesung abgeschlossen hatte übersetzte ein anwesender
Dolmetscher den Text konnte das Wort „Tec“oder „Tac“ nicht zuordnen und meinte es „könne
etwas mit „allein“ zu tun haben“(Zuschauer_innen diskutierten das Wort Leise auf kurdisch/
türkisch).
Die Verteidigung fuhr mit der Verlesung ihres ersten Beweisantrags fort. Dieser wurde durch die
Beschreibung der aktuellen Lage und Entwicklungen in der Türkei eingeleitet. Die Verteidigung
forderte die 2011 in Berlin erlassene Verfolgungsermächtigung gegen Mustafa nachträglich
aufzuheben, da dieVerfolgung von PKK/CDK ein Regime stütze, das sich „auf dem Weg zur
Diktatur“ befinde. Die Verteidigung hatte bereits vorher einen solchen Antrag gestellt, den sie nun
auf grausame Weise bestätigt sah (sie geht auf den Putschversuch und Repressionen des
Türkischen Staates ein). Die Paragrafen 129a und 129b schützen, laut Verteidigung, nicht nur den
Staat, sondern auch Individualrechtsgüter. Wenn ein Staat selbst Individualrechtsgüter verletze, sei
ein 129a/b Verfahren (zu seinem Schutze) hinfällig. (Verteidigung beschreibt den Rassismus des
türkischen Regimes gegenüber Kundinnen und Kurden, die Kriminalisierung und Verfolgung
kurdischer politischer Aktivitäten.Es werden Parallelen des AKP-Regimes zum NS-Regime und des
aktuellen Genozids an Kundinnen und Kurden zum Genozid an Armeniern gezogen)
Weil Mustafa vor dem 15.7.16 in Erscheinung getreten sei, wäre der Antrag der Verteidigung
abzulehnen,so der Staatsanwalt.
Im Anschluss setzte Mustafa die Kopfhörer ab, über die er mit den sich abwechselnden
Dolmetschern verbunden war, obwohl die Übersetzung noch nicht abgeschlossen war.
Der Richter kommentierte; dies sei „seine Entscheidung“.
Einer der Anwälte weist auf die Erschöpfung seines Mandanten hin und erbittet eine Pause,
die vom Richter abgelehnt wird, da „man sonst in zeitlichen Verzug“ gerate.
Nun verliest die Verteidigung ihren zweiten Antrag, zu dessen Beginn ein
Sachverständigengutachten die Auseinandersetzungen in der Türkei als einen
„nichtinternationalen Konflikt“ definiert (Konflikt zwischen staatlichen, regulären Kräften und
erkennbaren bewaffneten Gruppen auf staatlichem Terretorium).(-Mustafa hat die Kopfhörer
inzwischen wieder aufgesetzt). Erneut geht die Verteidigung auf die generelle Unterdrückung von
Kundinnen und Kurden, durch den türkischen Staat ein. Die AKP-Regierung kaschiere überdies
ihre Verbrechen nicht länger, sondern veröffentliche sie vor allem digital (Parallele zum IS wird
geschlagen). Die Verteidigung verliest nun Statistiken zu Opferzahlen beider Seiten und ziviler
Opfer. Der Konflikt wäre laut Experten längst zum Krieg geworden. In der Folge sei die PKK
keine „internationale terroristische Vereinigung“, ein 129a/b Prozess also hinfällig.Die Definition als „nichtinternationalen Konflikt“ stellt der Staatsanwalt in Frage und beantragt den
Antrag der Verteidigung abzulehnen.
Ein weiterer Antrag wird von der Verteidigung vorbereitet und für kommende Verhandlungstage
angekündigt. Der Richter schließt die Verhandlung.
Da die Zeuginnen diesen wahrnehmen können wird der nächste Verhandlungstermin auf den
16.8.16 gelegt, alle Prozesstage bis dahin fallen aus.