Der erste Prozesstag gegen den kurdischen Aktivisten Ali Hidir Dogan begann unter massiven Sicherheitsvorkehrungen vor dem Kammergericht Berlin-Moabit mit der Verlesung der Anklageschrift sowie mehrerer Anträge der Verteidigung auf Aussetzung des Haftbefehls und Einstellung des Verfahrens.
Die Generalstaatsanwaltschaft beschuldigt den 51-jährigen Kurden, in den Jahren 2014 und 2015 als „Gebietsleiter“ in der Region Berlin für die in Deutschland verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) tätig gewesen zu sein. Die Verteidigung forderte in einem ersten Antrag die Aufhebung der Verfolgungsermächtigung gegen alle Angeklagten in den derzeit 12 parallel laufenden Verfahren gegen vermeintliche PKK-Funktionäre. Die Verfolgungsermächtigung sei „ermessensfehlerhaft“, weil die darin enthaltene Einschätzung der PKK nicht zutreffe.
Die politischen Ziele der PKK bestünden in der „Demokratisierung der Türkei und Syriens“. Lukas Theune, Anwalt der Verteidigung, hob die programmatische Ausrichtung der kurdischen Bewegung auf eine demokratische, geschlechtergerechte und ökologische Gesellschaftsordnung hervor. Der PKK-nahe Dachverband KCK (Union der Gemeinschaften Kurdistans) arbeite an der „Schaffung einer Gesellschaft, die die Grundrechte und Menschenwürde achtet“. Selbst „der Bundesregierung ist dies bekannt“, kommentierte Theune.
Dagegen sei es die Regierung der Türkei, die durch Unterdrückung kurdischer Kultur und Sprache, Verfolgung politischer Opposition, die Zerstörung ganzer Städte und systematischer Folter die Menchenwürde missachte. Die Verantwortung für die Beendigung des von 2012 bis 2015 andauernden Friedensprozesses trage die türkische Staatsführung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan. Der bewaffnete Kampf der PKK sei – so der Antrag der Verteidigung – vor diesem Hintergrund als „verständliche Reaktion“ auf diese Angriffe zu bewerten. Die Verteidigung betonte, dass das Festhalten an der Verfolgungsermächtigung bedeute, „dass Deutschland das diktatorische System in der Türkei unterstützt“.
Vor dem Gerichtssaal protestierten etwa 40 Menschen gegen die Verhaftung Ali Hidir Dogans und solidarisierten sich auch mit Balu, einem linken Aktivisten, gegen den gleichzeitig vor dem Kammergericht ein Verfahren wegen „schwerem Landfriedensbruch“ verhandelt wurde.