24. Prozesstag, 10.07.17: Plädoyer im Prozess gegen Zeki Eroğlu in Hamburg

10thJul. × ’17


PDF – Prozesserklärung Zeki Eroğlu (deutsch)
PDF – Prozesserklärung Zeki Eroğlu (türkisch)

Obwohl die Staatsanwaltschaft selbst noch einmal die Biographie von Zeki Eroğlu wiederholte, die Zwangsumsiedlung von Zekis Familie aus Dersim, die Niederbrennung des Dorfes 1988, seine Aktivitäten für die HADEP, die zu seiner Verhaftung und dann Folter im Gefängnis und einer Verurteilung zu 12 Jahren Haft führten, erklärte sie, das rechtfertige nicht die Gegenwehr.
Vielmehr hob sie, die Situation in der Türkei vollkommen ignorierend, hervor, die PKK handle in der Türkei „in Tötungsabsicht“ gegen „Sicherheitskräfte“. Die Aktivitäten, die Zeki Eroğlu organisiert habe, z.B. „Durchführung des Dersim Kulturfestes“, „Kurdistan Festival“, „Demonstration für einen Friedensprozess in Kurdistan“ etc. seien innerhalb der PKK Strukturen durchgeführt worden und daher im Rahmen des Betätigungsverbotes der PKK nicht erlaubt. Aufgrund seiner Verantwortung in PKK Strukturen, u.a. als „Sektoren-“ oder „Gebietsleiter“ sei er sich bewusst gewesen, dass er sich strafbar mache, da die PKK international als terroristische Organisation eingestuft würde.
Sie forderte eine Verurteilung zu drei Jahren und drei Monaten. Das zahlreich anwesende Publikum äußerte lautstark seinen Unmut.

Danach kamen die Anwältinnen zu Wort. RA Britta Eder erklärte in Folge des Faschismus sei im deutschen Grundgesetz das Recht auf Widerstand (Artikel 20 Abs. 4) ausdrücklich festgeschrieben, sollte die demokratische Ordnung beseitigt hier werden. Das Grundgesetz sei „auf Leichenbergen“ entstanden und ein hoher Wert, welcher zu schützen sei. Sie erklärte, wir, die wir seit 70 Jahren in Frieden leben würden, uns nicht anmaßen sollten, unsere Erfahrung unhinterfragt auf Kurdistan anzuwenden. Eigentlich müsse das Gericht einmal selbst nach Kurdistan fahren, um die Situation dort einzuschätzen. Das Gericht hätte sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob Artikel 20 Abs. 4 nicht auch auf die Türkei anwendbar sei. Sie stellte auch die Frage nach der Alternative zum Kampf. Den Menschen in Kurdistan sei keine legale Alternative mehr geblieben. Sie fragte, was die Folgen gewesen wären, hätte es keine PKK gegeben. Sie beschrieb, wie erst die PKK es möglich gemacht habe, dass der Freiraum auch für eine zivilgesellschaftliche Organisierung, wie etwa der HDP, erkämpft wurde.
Die Weltgemeinschaft habe den Widerstand der PKK nicht unterstützt, den ProtagonistInnen nicht die Möglichkeit gegeben, offiziell als KombattantInnen anerkannt zu werden, stattdessen habe man sie kriminalisiert. Widerstand gegen Staaten werde hier nicht anerkannt, nur, wenn dieser Widerstand den eigenen geopolitischen und ökonomischen Interesse entspräche. Sie betonte, 60-90% der Bevölkerung, regional unterschiedlich, unterstützten in den kurdischen Gebieten der Türkei den Kampf der PKK, also kriminalisiere man einen Großteil der Bevölkerung.

Alexander Kienzle erklärte es gehöre Mut von Seiten des Gerichtes dazu, die Strafverfolgungsermächtigung von 2011 anzugreifen. Diese könne jedoch heute, 2017, auf keinen Fall mehr die Grundlage der Verurteilung sein. Eine rechtstaatliche Ordnung in der Türkei zu sehen, dazu gehörten wahrhaft dialektische Fähigkeiten, Rechtsstaatsdefinition schließe extralegale Tötungen, Manipulation von Wahlen etc. aus, was es denn noch brauche, damit ein Widerstandsrecht nach Meinung des Gerichtes zulässig wäre. Meinungsfreiheit, freie Presse, Rechtsschutzmöglichkeiten seien nicht mehr vorhanden. Kienzle forderte das Gereicht auf mutig zu sein, denn in der Türkei seien alle Säulen des Rechsstaates vom Staat angegriffen worden, ein Widerstandsrecht bestehe. Vor allem müsse man das Recht haben, hier in Deutschland mit demokratischen Mitteln Widerstand zu leisten. „Setzen Sie sich über politische Vorgaben hinweg“, so Kienzle. „Sie werden in die Verantwortung genommen“.

Nach der Mittagspause kam noch einmal Zeki Eroğlu zu Wort.
Er beschrieb die seit 1925 andauernden Genozide gegen die KurdInnen, beginnend mit dem Şex Said Aufstand, dem Genozid in Ağri, dem Genozid in Dersim von 1937/38 und der folgenden Zwangsassimilation, der Vertreibung der Bevölkerung in türkische Provinzen. Die KurdInnen hätten damals einen Hilfeschrei an die Welt ausgesandt, der unbeantwortet blieb. Hätte man sie gehört, wären nicht 100.000 Menschen ermordet und Millionen vertrieben worden. Die PKK sei eine logische Folge dieser Ereignisse. Es sei ein legitimes Recht gegen die eigene Ermordung Widerstand zu leisten, denn die KurdInnen seien seit 90 Jahren einem andauernden Genozid ausgesetzt, dies sei der einzige Grund für den 40-jährigen Widerstand der PKK, ohne die die Existenz der KurdInnen ausgelöscht worden wäre. Die PKK habe nie den Wunsch nach Rache gehabt, und dutzende Male einseitige Waffenstillstände verkündigt, die unbeantwortet blieben, im Gegenteil, der Staat habe sie jedes Mal genutzt, um noch härter anzugreifen. Deutschland kriminalisiere die KurdInnen wegen eigener Interessen. Für bilaterale Abkommen werde das kurdische Volk geopfert.
Zeki Eroğlu sagte, insbesondere ein Anklagepunkt habe ihn auch persönlich sehr getroffen, dass ihm vorgeworfen werde, er habe das Dersimfestival organisiert. Zaza, seine Muttersprache sei am verschwinden. Es gebe nichts natürlicheres, als dagegen Widerstand zu leisten. Er selbst sei im Schatten dieses Genozids aufgewachsen, habe Folter und Gefängnis erlebt und da er nicht wollte, dass folgende Generationen dasselbe erleben müssen, blieb ihm nichts anderes übrig, als dagegen anzukämpfen.
Er rief das Gericht auf, auch nach dem eigenen Gewissen zu handeln, das weiße Hemd unter der schwarzen Robe stände auch symbolisch für das Gewissen.
Zum Abschluss sagte er: Es lebe der Kampf des kurdischen Volkes für Frieden und Freiheit, die Geschwisterlichkeit der Völker, die Freiheit wird siegen!
Am heutigen Gerichtstag waren viele vor allem deutsche UnterstützerInnen gekommen, einige waren noch als UnterstützerInnen des G20 Protestes in der Stadt.

Dieses Gericht hat inzwischen die persönliche Geschichte von mehreren VertreterInnen der kurdischen Bewegung aus verschiedenen Teilen Kurdistans gehört. Fast alle Angeklagten waren schon in der Türkei inhaftiert, wurden dort gefoltert, ihre Dörfer wurden niedergebrannt, Verwandte ermordet. Das Gericht hat die viele Facetten dieses Kampfes für Freiheit und Gerechtigkeit kennengelernt, dennoch ist es vollkommen klar, dass sie Zeki Eroğlu verurteilen werden, wie schon zuvor Ali Ishan Kitay, Mehmet Demir, Hasan Dutar und Bedrettin Kavak. Mir scheint es, dass es Richtern in Deutschland besonders schwer fällt, Empathie für diejenigen zu empfinden, die sich auf die Seite der Unterdrückten stellen, sie haben eine tiefe Verbindung zum Staat.
Dahinter steht eine rechtspositivistische Haltung (der Staat hat immer recht). Wenn der Staat fordert, dass die VerteterInnen der PKK „TerroristInnen“ sind, dann verurteilt das Gericht, ein Gewissen hat der Richter und auch die Staatsanwältin nicht zu haben, sonst müssten sie ihren Beruf an den Nagel hängen. Genau dieses Einbinden der Justiz hat Deutschland schon einmal in den Faschismus geführt.

Die Urteilsverkündung ist am 21.7.,
OLG Hamburg, Sievekingsplatz 3, 9:00 Uhr, Saal 288/1.Stock.

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