11. prozesstermin gegen Ali Hıdır Doğan am DI 13.12.2016 9-13:00 im Saal 701, Turmstr. 91 Berlin-Moabit
Anwesend sind der 2. Strafsenat, StA, V1 und V2, A und der Dolmetscher, 1 Gerichtsprotokollantin, ca 20 solidarische Prozessbeobachter_innen, drei Justizbeamt_innen.
Abwesend: StAin
R1 eröffnet den Verhandlungstag: Heute werden zwei Anträge von den Verteidigern V1 und V2 gehört.
V2: stellt Antrag zu den zwei Präsenzzeugen: Jan van Aken (DieLinke) und Faysal Sariyildiz (HDP).
Begründung: Die zwei Zeugen können bezeugen, dass die PKK, KCK im Zeitrahmen des Beweisantrags Juni 2014 bis Juli 2015 nicht auf Mord und Todschlag ausgerichtet war, und deswegen nicht unter Paragraph 129B (Terroristische Verreinigung im Ausland) falle.
deswegen sollen 1) Jan van Aken und 2) Faysal Sariyildiz als präsente Zeugen im Prozess gegen Ali gehört werden.
beide stehen auf kurdischer Seite und versuchen Minderheitsrechte zu gewähren.
Weitere Ausführungen: im Anklagezeitrahmen liefen Friedensgespräche zwischen PKK/KCK und der türkischen Regierung. Damals wurde Murat Karayılan zum s Oberkommandeur der HPG gewählt, da er als langjähriges PKK-Mitglied die Positionen von PKK/KCK und HDP zusammen bringen konnte. Damals machte Öcalan den Vorschlag, dass der Firedensprozess in 6 Monaten umgesetzt werden könne.
Van Aken war 2011 in Amed und hat sich sowohl mit HDP/BDP über die Friedensgespräche unterhalten, als auch mit Baydemir (damaliger Bürgermeister von Amed) und der KCK Führung getroffen. Alle bezeugen gegenüber Van Aken, dass sie Freiden schließen wollen. 2015 reiste Van Aken nach Maxmur und hat sich in Erbil mit HPG-Führung und der Peshmerga (die von der Bundeswehr mit deutschen waffen beleifert wurden) getroffen. Die HPG bestätigte, dass sie aus der Türkei abgezogen sind, wie es der Firedensplan vorgesehen hätte. Am 25.9.2016 ist Van Aken in Berlin mit Selahattin Demirtaş zusammen getroffen, auch er versicherte ihm, dass das Ziel Öcalans der Frieden und das Ende des bewaffneten Kampfes sei.
Ausführungen zu Sariyildiz:
Faysal Sariyildiz ist Kurde, er ist gewählter Abgeordneter für die HDP im türkischen Parlament. Er wird bezeugen, dass die PKK/ KCK im Falle der Einhaltung der Minimalforderungen der Friedensverhandlungen seitens des türkischen Staatesdie zusichere, dass die Waffen für immer schweigen werden. Und das im Zeitrahmen des Beweisantrags gegen Ali keine HPG-Anschlagsbekundungen veröffentlicht wurden.
erstens: in der 1 Phase des Freidensprozesses (2013-2015) war die Organisation PKK / KCK nicht auf Mord und Todschlag ausgerichtet, stattdessen strebte die Zivile Leitung der KCK und Abdullah Öcalan eine dauerhafte Freidenslösung an. Auch das Landgericht Koblenz hat darauf hingewiesen, dass die PKK im Jahre 2013-mai’14 mit der Wahl von Karayılan als Oberbefehlshaber der HPG beweise, das sie für Freiden einstehen, weil er der bestmögliche Vertreter für Freidensgespräche sei.
- zweitens: falls diese Annahme des Landgerichts Koblenz zutrifft und die HPG im Zeitrahmen Sommer 2014 bis Sommer 2015 sich für Frieden einsetzte, wird der Einstufung der PKK in diesem Zeitrahmen als terroristische Vereinigung die Grundlage entzogen.
R1: Sie sprachen von zwei Anträgen?
V1: Ja es geht auch in meinem Antrag um die Präsenzzeugen:
Die Türkei ist ein rassistisches Regime, was alleine Türken anerkennt. Nicht assimilierte Kurd*innen werden perse verfolgt, weil ihnen PKK-Nähe vorgeworfen wird.
Die Ziele der Türkei ist auf die Vernichtung aller Minderheiten ausgerichtet. Dafür haben sie bereits eine Vielzahl Kriegsverbrechen begangen.
1) Faysal Sariyildiz wird anhand der Stadt Cizîr (türkisch: Cizre) über das rassistische Regime berichten.
Es gab in Cizîr zwei Ausgangssperren vom 4.-?[…] Sept. 2015 und vom 14.Dez’15 bis 2.März 2016. Sariyildiz ist HDP-Abgeordneter aus dem Wahlkreis Şirnex (türk. Şırnak) und er befand sich während beiden Ausgangssperren in Cizîr.
Am 4.9.2015 wurden um 18h über Megaphone die Ausgangsperre die auf 20:00 angesetzt war verkündet. in Anbetracht der Kürze der Zeit und wegen unterbrochener Telekommunikationsverbindung konnten Familienmitglieder*innen ihren Angehörigen nicht bescheid geben, wo sie sich befinden. Bereits 19.30 begann der Beschuß eine Sdt nach Ausrufung der Ausgangssperre. Strom und Wasser Versorgung waren vielerorts unterbrochen, Internet und Telefon war größtenteils abgebrochen. Viele Menschen sind Traumatisiert, sie mussten in Beschuß befindlichen Häusern ausgangssperre und zusehen, wie die Wände ihrer Häuser zusammen fielen. In den 4 Tagen Ausgangssperre gab es bereits 21 Tote. z.B. wurde die 10jährigen Cemile Çağırga von Hinten im Hof erschoßen, ihr Leichnahm mußte in einer Gefriertruhe des Nachbars aufbewahrt werden. Als sich die Familie im Beisein Sariyildiz mit der Leiche auf dem Weg zum Leichenhaus aufmachte, wurden sie beschoßen. Am 12. Sept ’15 sollte der Vater die Leiche abholen, sie musste vor der Beerdigung wieder in Gefriertruhe aufbewahrt werden.
Bei der zweiten Ausgangsperre vom 4.12.2015 – 2.3.2016 konnten ebenfalls keine Leichen geborgen werden und verletzte nicht ins Krankenhaus gebracht werden, da keine Krankenwagen durchgelassen werden. Sariyildiz versuchte dies immer wieder vergeblich durchzusetzen, er wurde in der Zeit von vielen eingesperrten Menschen kontaktiert.
Am 18.1.2016 gab es einen Antrag vor dem EuGH dass 5 Personen keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben. am 26.1. sind drei ihren Verletzungen erlegen.
Am 20.1. versuchte eine Gruppe mit Sariyildiz die Verletzten und Leichen einzusammeln, als sie die Stadtteile Sur und cudi betraten wurde die 40-50 personen Gruppe beschoßen. 15 Menschen sollten ins Krankenhaus gebracht werden, doch statdessen wurden sie auf die Polizeiwache gebracht und erst einen Tag später ins Krankenhaus.
Sariyildiz wurde auch von den Menschen, die zwischen dem 23.Jan und 10. Februar in verschiedenen Kellern in Cizîr eingesperrt und später getötet und verbrannt wurden, kontaktiert.
am 30. Jan gab es den letzten telefonischen Kontakt zum 1 Keller, sie entscheiden sich gemeinsam raus zu kommen, dann endete das Telefonat mit einer Explosion.
auf den 2. Keller wurden Mörsergranaten abgefeuert, danach brach die Verbindung ab. Am nächsten Tag wurden 16 verbrannte Leichen geborgen.
im 3. Keller verkündete der Vater von Derya Koç am 10. Februar 2016 am Telefon, dass sich ca. 2= verwundete im Keller befinden, auf den weiterhin mit Scharfschüzen geschoßen wird. Auch sie wurden im Viertel Sur/Cizîr durch Brand getötet.
Am 11. Feb. 2016 endete die Ausgangsperre ofiziell, doch erst am 2.März war sie wirklich aufgehoben.
am 26. Februar 2016 veröffentlichte der mezopotamische Menschenrechtsverein [IHD?] einen Bericht, das 178 Leichen geborgen wurden und teilweise nicht identifiziert werden konnten. Es wurden Müllsäcke mit Leichenteilen und Knochen am Ufer des Flußes gefunden.
All diese Schilderungen bezeugen die rassisitische Ausrichtung des Türkischen Staates. Beide Zeugen werden das bekunden.
Die Politik der Zwangsassimilierung verstößt gegen die laussaner Konvention für Menschenrechte.
die Präambel der türk verfassung von 1982, ist heute noch gültig und auch der Eid, den Abgeordnete des türk Parlamentes leisten müßen haben nationalistischen Charakter: „Ich schwöre der türkischen Ehre, dass ich die Revolution Atatürks ehre“ […]
Z.B. wurde die Abgeordnete Leyla Zana als Landesveräterin verhaftet, als sie nach der Vereidigung von Völkerfreundschaft sprach. nach ihrer Haftstrafe ist sie 2015 wieder angetretenund schwor statt auf das türkische Volk auf die Völker der Türkei, weswegen sie ihren Job jetzt nicht mehr ausüben darf.
im Sept 2014 wurden bereits Schulen aufgrund ihres Kurdisch Unterrichts geschloßen, auch Fernsehsender und Radios wurden auf Grund ihrer kurdischen Sprache verboten und in der Türkei ist die Verwendung der kurdischen Sprache auf poitischen Veranstaltungen verboten.
Im Juni 2015 schaffte es eine prokurdische Oppositionspartei, die HDP erstmals die 10%Hürde zu schaffen und zog mit 59Abgeordneten ins Parlament ein. Dann wurde für 50 von 59 Abgeordnete die Immunität aufgehoben und durch eine Verfassungsänderung verloren weitere 138 Parlamentarier*innne ihre Immunität.
der Begriff „Bergtürke“ für „Kurde“ wird heute nicht mehr verwendet. Aber in allen Shculen und auf Perggipfeln in der Türkei ist zu lesen: „Stolz ist, wer sich Türke nennt!“
[…]
Begründung: die Türkei ist ein rassistisches Regime und der Angeklagte wird hiernach freizusprechen sein!
R1: ist während der Ganzen Antragsverlesung ungeduldig und spielt die ganze Zeit mit seinem Stift und pocht auf die Uhr…
—– 70 min Unterbrechung —–
(Vor dem Gericht wird ein Solifoto für Ali gemacht mit den Plakaten der Kampagne das PKK-Verbot aufzuheben:“PKK? Na klar!!!)
——-11:45—-
beide Zeugen werden reingebeten.
doch Jan van Aken musste aus Zeitgründen das Gericht bereits wieder verlassen…
die Personalien von Faysal Saraiyildiz werden Aufgenommen
R1: unterbricht die Verhandlung erneut um sich zu beraten für 50 minuten.
————12.45————
StA will keine Stellungnahme machen
R1: liest Presseerklärung vom 12.Sept2016 von Mehmet Öcalan (der Bruder von Abdullah Öcalan) nach seinem Besuch auf Imrali vor:
“Liebe Freund*innen,
ich grüße euch!
Ich war gestern auf der Gefängnisinsel Imrali. Ich habe meinen Bruder besucht. Zwar hält der psychische Druck weiter an, aber es geht meinem Bruder physisch gut. Er grüßt euch alle!
Mein Bruder hat eine Botschaft für euch:
„Die Isolation fährt fort, doch ich habe keine körperlichen Probleme. Die Situation geht weiter wie zuvor. Wir haben mit unseren Freund*innen weiterhin Kontakt, wir haben unsere Projekte und Pläne, wenn der Staat dafür bereit ist, können wir diese Projekte und Pläne innerhalb von 6 Monaten umsetzen.
Doch festzuhalten gilt, dass es zunächst einmal nicht wir waren, die den Friedensprozess zerstört haben. Das zuständige Komitee kannte mich und sagte mir, sie würden in zwei Wochen wiederkommen und der Prozess würde somit schnell zu einem Ende gebracht werden. Ja, die kurdische Frage ist ein schwerwiegendes Thema. Es ist keine Sache von 20 Jahren, es geht 150–200 Jahre zurück. Aktuell sterben täglich schätzungsweise 30 Menschen. Wäre der Staat ehrlich, würde es nicht so viele Tote geben. Dieses Land verdient das nicht. Jeder Mensch mit Verstand muss das einsehen.
Wenn der Staat dazu bereit ist, werden sie uns zwei ihrer Vertreter schicken. Das ist eine ernste Sache, unsere Projekte und Pläne sind bereit. Wir können dieses Problem in 6 Monaten lösen. Der aktuelle Krieg, ist ein blinder Krieg. Es ist ein Krieg, in dem keine Partei gewinnen kann. Dieser Krieg geht seit 40 Jahren. Vielleicht wird er noch 80 Jahre weiter gehen. Es ist eine Schande um und für die Menschen, die in diesem Krieg sterben. Blut und Tränen müssen aufhören zu fließen.
Die Lösung kann nicht einseitig sein, die größte Partei ist der Staat. Wenn der Staat auf unser Entgegenkommen und unsere Bemühungen eingeht, wird dieses Problem nicht mehr lange andauern, dann wird es eine Lösung geben.
Mir geht es gut. Morgen ist Eid, das Fest des Opferns. Aber es kann kein Fest geben, wenn täglich 30–40 Menschen in diesem Land sterben. Das ist unmoralisch. Die Lösung ist in unseren Händen, wir können es lösen.”
R1: erklärt den heutigen Prozesstag als beendet.
—————-13:00——–
Nächster Termin Fr. 16.12. 9:00 Turmstr. 91 im Saal 500